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ROBERT KIRCHNER
Malerei · Grafik ·

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  • 21. 7. 1940 geboren in Bad Kissingen als jüngstes Kind des Holzbildhauers Josef Kirchner.
  • 1956 – 1962: Ausbildung zum Künstler an der Académie de la Grande Chaumière Paris (Aktzeichnen), der Kunst- und Handwerkerschule Würzburg (Graphik und Bildhauerei bei Richard Rother), an der Städelschule Frankfurt/Main (Lithographie bei Christian Kruck) und an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg (Malerei bei Hermann Wilhelm).
  • Ab 1962 freischaffender Maler und Graphiker in Bad Kissingen mit eigener lithographischer Druckwerkstatt.
  • Regelmäßig lithographische Druckaufträge für Künstler aus ganz Deutschland, u. a. für HAP Grieshaber, Horst Sauerbruch, Josef Versl.
  • 1963 Geburt des Sohnes Martin.
  • 1965 Heirat der Künstlerin und Kunsterzieherin Hildegard Kunkel
  • 14. 10. 2009 Tod in Bad Kissingen nach längerer Krankheit.
Vortrag von Wolfgang Riedel anlässlich der Werkschau ROBERT KIRCHNER in der Kunsthalle Schweinfurt 2015


Der wahre Blick. Über den Maler Robert Kirchner

Robert Kirchner war ein wunderbarer Gesprächspartner, für mich hauptsächlich ein philosophischer. Der Austausch war frei, direkt, lebhaft, in Kontroversen leidenschaftlich, von seiner Seite aus immer ›radikal‹, nach dem Grund bohrend. Doch dies betraf nur eine Facette seines Wesens; Philosophie war für uns beide gemeinsames Feld, anderes, etwa die Pferde, nicht, und entsprechend blieb die Kommunikation hier ganz oberflächlich. Nicht ganz so klar war es bei der Kunst. Was sein eigenes Oeuvre betraf, empfand ich immer eine gewisse Scheu, mit Fragen in ihn zu dringen, und er selbst blieb dann auch zurückhaltend. So verblieb hier vieles in der Schwebe – trotz wiederholter Gespräche über ›alte Meister‹ wie etwa Rembrandt oder Marees. Doch da redete man ausschließlich über diese: analytisch, hermeneutisch, und auch wenn es um das mögliche Konzept hinter dem Bild ging, rein aus Betrachterperspektive. Sein eigenes Werk brachte er dabei nicht zur Sprache. Mich beeindruckte sehr, wie er hier die Sphären auseinander hielt. Wie es sich für echte Künstler gehört, steckte in seinem Arbeiten etwas Obsessives; er hatte nur nicht das Bedürfnis, dies jederzeit zu erkennen zu geben oder gar mitzuteilen. So sprachen schon zu seinen Lebzeiten über seine Kunst und seine Werke am meisten und vernehmbarsten diese Werke selbst. Und unweigerlich sprachen sie damit auch über ihn, als Person und als Künstler.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, war Robert Kirchner ein ›gegenständlicher‹ Maler und Graphiker. Vergegenwärtigt man sich das Spektrum seiner Gegenstände einmal über das Gesamtwerk hinweg, erkennt man sehr schnell eine dominante thematische Trias: Pflanzen, Tiere, Menschen. Dies widerspricht nicht der Tatsache, dass Kirchners Bilderwelt natürlich viel komplexer ist als diese schlichte Formel. Die Pflanzen etwa kommen in ihr nicht nur als Individuen vor, wie in der Darstellung von Blumen und Sträußen, sondern auch als die den Erd-boden überkleidende vegetabilische Welt en gros, also als ›Landschaft‹, und das heißt: als der Gesamtlebensraum, der jene Trias überhaupt trägt und umfasst. Dieser Zusammenhang ist in Kirchners Bildern immer vorausgesetzt. Oder anders gesagt, diesem denkenden Maler ging es immer um die ›Natur‹. Es fällt ja sogleich auf, dass menschliche Artefakte wie Architektur und Technik, Stadt und Straße in seinen Bildern allen-falls am Rande vorkommen (und folglich die ›moderne Welt‹ so gut wie gar nicht). Dies ist, inmitten dieser Moderne, ein starkes künstlerisches Statement! Kirchners Bilder wollen nichts anderes, als schon die älteste Malerei und Zeichenkunst wollte: Darstellung des unseren Sinnen Gegebenen, vulgo: der ›Wirklichkeit‹. Und zwar nicht der von uns gemachten, sondern der uns vorausliegenden, der ›natürlichen‹ Wirklichkeit in Pflanzen, Tieren und Menschen.

In diesem Wollen hat man zugleich die ganze Person Robert Kirchners: seine Tier- und Erdverbundenheit, seine lokale, landschaftliche Verwurzelung, seinen existentiell gelebten und zugleich denkend reflektierten Vitalismus. Die künstlerische Obsession für natürliche, lebendige Sujets ergab sich daraus von selbst, und ebenso auch die für die konkrete landschaftliche Umwelt. Kirchner war zwar ein Maler in der Rhön, aber kein Rhöner Maler. Seine Rhöner Landschaften, wie treffend auch immer, bedienen keine Heimatliebe. Seine Porträts und Akte zeigen überwiegend Menschen aus Bad Kissingen, oft Freunde, manchmal Kinder, und wer sie kennt, kann die Bilder darauf rückbeziehen. Doch ist dies – außer für die Gemalten und ihre Bekannten und Verwandten – unerheblich; denn auch für alle anderen ist jedes von ihnen ein ›wahres Bildnis‹: Vera Icon der menschlichen Person, ihrer Eigenheit und Typik. Kirchner wollte, dass man, ganz gemäß der uralten Magie der Mimesis, der Nachbildung mit Pinsel oder Stift, auf seinen Bildern nie nur das ›Zeichen‹ eines Menschen oder einer Eiche sieht, sondern den Menschen oder die Eiche selbst. Es war die Basis seines Talentes, dass er dies mit schlafwandlerischer Sicherheit konnte: ein Objekt erfassen und sein Wesen ohne Verlust ins jeweilige Medium (Papier, Leinwand, Farbe, Tinte usw.) übertragen. Seine Bäume sind Bäume, seine Tauben sind Tauben, die Bewegungen jedweden Tieres sind eingefangen, als wären sie aus dessen Innerem heraus gefühlt, auch und besonders in den schnellen Skizzen. Wo immer dies gelang, blickt uns aus Kirchners Bildern das Wesen des Gezeigten an, eben seine ›Natur‹. Die Fertigstellung eines Porträts konnte daher dauern; aber wie jeder ernsthafte Porträtist wollte er die ganze Person, ihr singulär-komplexes Wesen im gezeigten Antlitz (und analog im gezeigten Akt) sichtbar machen. Mit diesem Blick sah er als Künstler alles an, ob klein oder groß: Blumen und Bäume, Tiere und Menschen, die Paysages Intimes kleinräumiger Busch- und Weiherszenen und die weitgestreckten Höhen der Rhön. 

Muss man diesen Blick verteidigen? Ich glaube nicht. Die Zeit der Infragestellung gegenständlicher Malerei und Graphik ist vorbei. Man weiß wieder, dass Mimesis nicht der zu überwindende Anfang der Bildkunst war, sondern ihre vielleicht schwierigste und darum bleibende Aufgabe ist, auch in der Epoche der Photographie und der digitalen Medien. Robert Kirchner hat in dieser Überzeugung gelebt und geschaffen. Vom Mainstream seiner Zeit her, der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, erscheint er daher als ›Konservativer‹ und Außenseiter. Doch das ist ein Zerrbild; seine Entscheidung, die alten Ziele und Tugenden der Malerei und Graphik nicht preiszugeben, war kein Verweigern zeitgemäßen Künstlertums, sondern im Gegenteil eine seiner Ausprägungen. Kunst braucht, auch und gerade in einer längst konventionalisierten Moderne, radikalen Eigensinn; Robert Kirchner besaß ihn.

Prof. Dr. Wolfgang Riedel ist emeritierter Professor für neuere deutsche Literatur- und Ideengeschichte an der Universität Würzburg, Ordentliches Mitglieder der Bayrischen Akademie der Wissenschaften und Leiter des Schelling-Forums Würzburg.

Vortrag von Arbogast Schmitt anlässlich der Werkschau ROBERT KIRCHNER in der Kunsthalle Schweinfurt 2015

Robert Kirchner – Die hohe Schule des Sehens


Von dem Maler Rouault gibt es das Bonmot, es gebe auf der ganzen Welt niemanden, der sich so viel Unsinn anhören müsse wie Bilder in Museen. Was Rouault von den Betrachtern der Bilder sagt, gilt in mancher Hinsicht auch von den Kunstkritikern, vor allem, wenn es um die Beurteilung zeitgenössischer Kunst geht. Robert Kirchner gehörte nicht zu denjenigen, die auf eine schlechte Kritik oder auf ungenügende Beachtung mit einer allgemeinen Kritik der ‚Kunstrichter‘ reagieren. Aber er hat sich intensiv mit den Bedingungen auseinandergesetzt, die nötig sind, damit man wirklich versteht, was man sieht und sehen muss, wenn man ein Bild richtig beurteilen will. Diese Frage war für ihn zugleich ein Anliegen des Künstlers selbst. Gerade der künstlerische Schaffensprozess gilt heute vielen, auch vielen Künstlern, als ein grundsätzlich unerklärlicher Vorgang, der unreflektiert irgendwie ‚kreativer‘ Ausdruck subjektiver Innerlichkeit sein soll. Ein unerklärlicher Vorgang kann aber, das war Robert Kirchners feste Überzeugung, keine Quelle für eine Arbeit sein, die den Anspruch erfüllen möchte, Kunst zu sein.
Mit diesem Problemkreis hat er sich seit seinen Studienjahren in der Akademie beschäftigt, ja es war gerade die akademische Lehre mit ihrer Betonung einer oft willkürlich produzierenden Subjektivität, die ihn unruhig und unzufrieden machte und ihn zu umfangreichen Studien anregte. In vielen und langen Gesprächen mit ihm konnte ich seine außergewöhnlich umfassende und präzise Kenntnis nicht nur der ‚alten‘ und neueren Meister, ihrer Malweisen und Maltechniken, bewundern, sondern auch seine Vertrautheit mit den vielen über Jahrhunderte hin ausgebildeten ästhetischen Theorien.
Dass und warum die heute beinahe von allen wie selbstverständlich hingenommene Ablehnung einer gegenständlichen Kunst inzwischen eher ein Klischee ist, konnte Robert Kirchner in souveräner Kritik erklären und die gedanklichen und geschichtlichen Wurzeln nachweisen. Man muss bis ins 18. Jahrhundert zurückgehen, um zu sehen, dass es hier schon, um Roberts Worte zu gebrauchen, eine ‚unheilige Allianz‘ gab zwischen der Vorstellung, wer gegenständlich male, sei ein bloßer Nachahmer der Wirklichkeit, und der Überzeugung, diese Art zu malen, sei nichts weiter als die Anwendung erlernbarer Regeln durch kleine Geister. Diese Verdächtigung des Denkens beim Malen hatte zu immer neuen Versuchen geführt, nach unmittelbaren Weisen des Erlebens zu suchen, die jeder Reflexion vorhergehen: ein unschuldiges Auge wie beim Kind oder ein Zustand vor dem Erwachens des Bewusstseins, in dem sich die Welt dem Auge noch konturlos und in verschwommenem Eindruck zeigt – in diesen und vielen anderen Formen hatte man eine schöpferische, von keiner Regel eingeengte Genialität bei der Kunstproduktion erprobt. Was aber zu Beginn der Moderne des 20. Jahrhunderts als Befreiung von erstarrten Traditionen und als kritische Revolution einer Avantgarde gelten konnte, war im Lauf ständiger Wiederholungen dieser Revolutionen durch immer neue Generationen von Malern zu einer selbst verfestigten Manier geworden, die keine Kritik an sich mehr zuließ.
Gerade die zehnsemestrige Erfahrung an der Kunstakademie bestärkte Robert Kirchner in der Überzeugung, dass das erlernbare Handwerk und die Auseinandersetzung mit Bildinhalten, die auf Erkenntnis beruhen und dem Erkennen zugänglich sind, zu dem Erbe der großen Maler gehören, auf das man gar nicht verzichten kann, wenn Bilder nicht zu einer subjektiven Tyrannei des Nichtssagenden verkommen sollen. Viel häufiger als in der Akademie sah man ihn deshalb, so berichtet er, in den Museen vor den Bildern. Und es ist überzeugend, wenn er sagt, dass ein genaues Studium guter Bilder das Vorurteil, hier werde die Wirklichkeit, irgendwelchen Konventionszwängen folgend, einfach nachgebildet, als ein grobes Missverständnis widerlegt.
Er selbst jedenfalls war sich darüber im Klaren, dass kein Gegenstand auf einem Bild ein bloßes Abbild sein sollte, sondern Ergebnis einer Auswahl. ‚Modern‘ wäre es, eine solche Auswahl subjektiv zu nennen. Der Künstler zeigt uns, wie er die Welt sieht und empfindet. Diese Art der Subjektivität war allerdings nicht das, was Robert Kirchner zum Ausdruck bringen wollte. Wie der Erzähler in Tolstois ‚Kreuzersonate‘ an den Komponisten Beethoven die Frage stellt (die hier vielleicht unberechtigt war), weshalb er seine Hörer durch den (musikalischen) Ausdruck von Gefühlen, die er gerade empfinde, in eine Stimmung hineinzwingt, die gar nicht die ihre ist, würde wohl auch Robert Kirchner die Darstellung einer nur subjektiven Gefühlswelt für eine Belästigung anderer Menschen halten – oder zumindest für etwas, was für sie kein genuines Interesse haben könnte.
Dennoch wusste er und hat oft darüber gesprochen, dass auch eine Zeichnung oder ein Bild, die etwas Gegenständliches oder jedenfalls etwas Erkennbares darstellen, etwas Subjektives zum Ausdruck bringen. Dieses Subjektive aber war für ihn Ergebnis einer Leistung, einer Leistung des aufmerksamen Sehens und Begreifens. Es sollte und durfte sich nicht nur irgendwelchen Stimmungen, Intuitionen oder Vorlieben verdanken, sondern sollte etwas zeigen, was es wirklich gab, was aber erst durch genaues Sehen und Verstehen zum Vorschein gebracht werden musste.
Ein Beispiel aus der heute vor allem von Psychologen und Hirnforschern geführten Debatte um die vermeintliche Unzuverlässigkeit (‚Konstruktivität‘) und bloße Privatheit der Wahrnehmung hat ihn besonders amüsiert. Deshalb eine kurze Erinnerung daran. Dass uns die Wahrnehmung die Welt nicht zeigt, wie sie wirklich ist, das sehe man, so konnte man immer wieder lesen, an den ganz unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Erfahrungen, die verschiedene Menschen von denselben Gegenständen machen. Wenn etwa ein Wanderer, ein Botaniker und ein Künstler im Wald auf eine seltene Blume von außergewöhnlicher Gestalt und Farbe treffen, dann werde der Wanderer dies vielleicht gar nicht wahrnehmen und vorbeigehen, der Botaniker werde neugierig die besondere Funktionsweise von Blüte, Samenbeutel, Blättern usw. festellen, während der Künstler das Zusammenstimmen der Teile untereinander und zur ganzen Gestalt bewundern und sich an der Farbgebung erfreuen werde.
Was Robert Kirchner an diesem Beispiel belustigte, war die Naivität dieser ‚modernen‘ Skeptiker. Denn es war, wie er zu Recht feststellte, keineswegs nur ‚das Auge des Betrachters‘, das auf wissenschaftlich unerklärliche Weise für diese unterschiedlichen Erfahrungen verantwortlich war. Beide, der Botaniker und der Künstler sahen zwar etwas Verschiedenes und auch noch etwas, was der Wanderer überhaupt nicht wahrnahm, aber sie sahen etwas, was tatsächlich zu dieser Blume gehörte. Es war lediglich nur dem zugänglich, der über die nötige Erfahrung und die Aufmerksamkeit verfügte, es aus dem Gesamteindruck gleichsam herauszulösen und in seiner Zusammengehörigkeit zu erfassen.
Deshalb legte er großen Wert auf die Feststellung, dass es gerade nicht eine phantastische Fiktion des Künstlers ist, wenn er ’sieht‘, dass eine Blume eine geformte Ordnung der Struktur und eine Zusammenstimmung der Farbgebung mit der von der Struktur vorgegebenen Bedeutung der Teile aufweist, sondern genau dieses ‚Sehen‘ ist eine Erkenntnisleistung des Künstlers. Er muss das, was z.B. dem Wanderer und dem Naturwissenschaftler verborgen bleibt, obwohl es wirklich vorhanden ist, zu bemerken in der Lage sein, er muss die Proportion, die dem Ganzen zugrunde liegt, begreifen und durch die Konturierung im Bild auch für den Betrachter sichtbar machen.
Die schon in der Antike geäußerte und vor allem seit dem 18. Jahrhundert verbreitete Überzeugung, die Schönheit liege im Auge des Betrachters oder Liebhabers, ist nach Robert Kirchner eine gedankenlose Rede. Denn gerade dafür braucht man Übung und Verstand, um das überhaupt zu sehen, was einen Menschen, ein Tier, einen Gegenstand, eine Landschaft wirklich schön macht. Und noch viel mehr Können ist nötig, um es in künstlerischer Gestaltung so zum Ausdruck zu bringen, dass es auch dem Auge des Betrachters zugänglich wird.
Es ist kaum zuviel gesagt, wenn man feststellt, dass dieses ganz außergewöhnliche Können in so gut wie jeder Zeichnung und jedem Bild Robert Kirchners dokumentiert ist.
Um mit den Landschaftsbildern und den Stillleben zu beginnen. Es ist ganz auffällig, dass man beim Betrachten seiner Landschaftsbilder jedes Mal in eine eigentümliche Stimmung hineingezogen wird. Grund dafür sind aber nicht irgendwelche unaussprechlichen Gefühle, die einen überkommen, sondern das Zusammenstimmen aller Elemente und Erscheinungsformen einer Landschaft zu einem bestimmten Ausdruck. Gerade der, der diese Landschaften kennt, sieht sie auf diese Weise wie zum ersten Mal, er sieht die Ordnung, die Beziehung der Dinge und Formen auf ein Ganzes, die dem alltäglichen Sehen ganz verborgen geblieben waren. Wenn man unter Schönheit nicht eine einlullende Gleichförmigkeit und ein oberflächliches Ebenmaß versteht, sondern wenn sie das ist, was den Wert der Dinge – auch in einer bestimmten Situation, einer bestimmten Verfassung – sichtbar zum Erscheinen bringt, dann kann man sicher sagen, dass sie das ist, was für so gut wie alle Bilder von Robert Kirchner charakteristisch ist. Selbst eine tote Taube oder ein enthäuteter Hase zeigen eine auch in ihrem Zustand mögliche Eleganz, die sie der Beachtung und Betrachtung wert macht.
Dazu kommt eine Besonderheit, die in überzeugender Weise bereits seine wunderbaren Buchillustrationen zu Vergils Hirtengedichten von 1965, zum ‚Hohen Lied der Liebe‘ Salomons von 1968 und den Reitergeschichten Hofmannsthals von 1978 kennzeichnet, aber im gesamten Werk präsent ist. Wenn es im ‚Hohen Lied‘ von der Geliebten heißt, „und sie bricht hervor wie die Morgenröte, .. wie schreckliche Heerscharen!“, dann ist es genau dieser Augenblick, den die Illustration zeigt. Es ist, so hat das der Kunsthistoriker Horst Bredekamp von guter Malkunst gesagt, der ‚Bildakt‘, das heißt, eine im Bild präsente Lebensenergie, durch die eine scheinbar stillgestellte, tote Materie Ausdruck einer inneren Bewegtheit ist, die den Betrachter fasziniert, wenn dieser ‚Akt‘ getroffen und dargestellt ist.
Goethe hat bei der Beschreibung einer der berühmtesten Plastiken der Antike, einer Kuh des Bildhauers Myron, sich gegen das Lob gewehrt, die Qualität dieses Kunstwerks beruhe darauf, dass der Künstler diese Kuh so lebensecht dargestellt habe, dass sogar wirkliche Kälbchen verführt waren, an ihr zu saugen. Eine solche Wirklichkeitstreue konnte nicht den Rang dieses Kunstwerks ausgemacht haben, sie musste, wie er, der diese Plastik nie gesehen hatte, mit gutem Urteil erschloss, darin gesucht werden, dass es dem Künstler gelungen war, den Augenblick der mütterlichen Hinwendung zu dem säugenden Kälbchen – in allen seinen für diesen ‚Akt‘ nötigen Zügen – lebendig werden zu lassen.
Ich weiß nicht, ob Robert Kirchner diese kleine Abhandlung Goethes kannte, möglich ist dies bei seiner Belesenheit sehr wohl. Jedenfalls findet man gerade dies in seinen Bildern: die Stute, die aufmerksam und fürsorglich sich ihrem Fohlen zuwendet, den Hengst, der scheu und mit Kraft zugleich der grasenden Stute nachsieht, den Hirten, der der fliehenden Schäferin nachstellt, die Kapelle, die wie ein Hort des Friedens Schutz bietet, und insgesamt die Darstellung von Momenten der Scheu, der Sensibilität, der Aufrichtigkeit, auch des aufrichtigen Zorns, des Lustigen und Wütenden und immer des Großzügigen.
Die alten Griechen waren überzeugt, dass jeder von der Welt das wahrnimmt, was seinem Charakter entspricht. Darin liegt sicher ein wichtiger Grund, weshalb die Bilder von Robert Kirchner so viel ästhetisches Vergnügen bereiten: Es ist der großzügige Charakter, der sich in ihnen äußert und der seinen Personen und Gegenständen die Freiheit lässt, sich in ihrer eigenen Verwirklichung zu zeigen.
Gerade deshalb muss man noch einmal daran erinnern, dass der vom Charakter geprägte Zugang zur Welt nicht eine Verfälschung der Welt bedeuten muss. Vom Charakter her gesehen ist es vielmehr die unbedingte Aufrichtigkeit, die für Robert Kirchner im Leben wie in der Kunst bestimmend war, die die Richtigkeit seiner Darstellungen möglich gemacht hat. Er war das, was man heute als ‚Authentizität‘ fordert, in einem durch keine Nebenzüge oder Verstellungen uneingeschränkten Sinn.
Dazu gehörte auch die strenge Erarbeitung der für eine solche Richtigkeit der Darstellung nötigen zeichnerischen und malerischen Techniken, die Robert Kirchner sich mit großem Fleiß erarbeitet hatte.
Blickt man auf die Abwendung von der Tradition einer am ‚disegno‘, an der Zeichnung und an erkennbaren Gegenständen orientierten Kunst, die die moderne Avantgarde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogen hat, und versucht Robert Kirchner in den dadurch entstandenen Gegensatz von subjektivem Schöpfertum und regelkonformer Nachahmung einzuordnen, wird deutlich, dass er in einer außergewöhnlichen und innovativen Weise diesen Gegensatz unterläuft. Seine Malerei ist weder nur gegenständlich noch nur abstrakt. Robert Kirchner weiß durch Studium und kritische Reflexion, dass uns die Welt nur unter dem Hinblick zugänglich wird, unter dem wir sie betrachten und empfinden, und teilt diese Überzeugung mit der Avantgarde der Neueren. Er hat sich aber auch vergewissert und in vielen eigenen Versuchen dokumentiert, dass dieser Hinblick nicht ein beliebiges Überstülpen von subjektiven Stimmungen über die äußeren Dinge sein muss, sondern im Gegenteil erarbeitete Erkenntnis einzelner Züge und ihres Zusammenhangs sein kann, ja sein soll, die sich dem Auge nicht einfach darbietet, aber ihm zugänglich gemacht werden kann.
Einem auf Vereinfachung angelegten mainstream der Kunstrezeption ist eine solche differenzierte Haltung nicht immer leicht zu vermitteln, aber es ist für jeden persönlich und für die Richtung, die eine sich wirklich erneuernde Kunst nehmen könnte, ein großer Gewinn, sich mit dem Werk Robert Kirchners auseinanderzusetzen.
Natürlich fällt eine so ausgeprägte Künstlerpersönlichkeit wie Robert Kirchner nicht einfach vom Himmel. Er wurde bereits in eine Familie mit langer Kunsttradition hineingeboren. Der Vater war ein angesehener Bildhauer, von dem auch Robert dieses Handwerk, in dem er es zu großer Vollendung gebracht hatte, erlernte. Aber Robert wollte nicht Bildhauer, sondern Maler werden und musste diesen Wunsch gegen viele Widerstände durchsetzen. Auf dem Weg dahin gibt es wichtige Stationen. So z.B. erlernte er das Aktzeichnen in der ‚Académie de la Grande Chaumière‘ in Paris, für die für seine leidenschaftliche Liebe zur Zeichnung wichtige Technik der Lithographie fand er einen großen Lehrer in Christian Kruck an der Städelschule in Frankfurt. Die drei Semester, die er dort studieren konnte, haben ihn, wie er immer wieder betonte, ganz besonders geprägt, – mehr als das zehnsemestrige Studium an der Kunstakademie in Nürnberg, die ihm mehr durch die Anregung zur kritischer Reflexion als durch positive Leitung hilfreich war. Trotz einer frühen Vollendung in der Beherrschung der Techniken des Zeichnens und der Farbe blieb die Beschäftigung mit den Bildern großer Maler und das Nachdenken über die eigenen Kunstabsichten und das eigene Können (er schrieb fast täglich alle seine Beobachtungen auf, leider sind sie nicht mehr vorhanden) Bestandteil seines Lebens bis ins Alter.

Prof. Dr. Arbogast Schmitt ist Professor für antike Literatur und Philosophie und war bis zu seiner Emeritierung 2011 Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie an der Universität Marburg.

Künstlerbücher

Publius Vergilius Maro: Bucolica. Mit 17 Lithographien von Robert Kirchner. Bad Kissingen : veröffentlicht im Selbstverlag, 1965. Vom Künstler in einer Auflage von 98 Exemplaren vom Stein gedruckt und numeriert, alle Lithographien signiert.

Als Faksimile-Nachdruck: Gesellschaft der Bibliophilen, München 1974 Auflage: 1300
Das Hohelied Salomos. In der Übersetzung von Martin Luther. Mit 20 Lithographien u. 1 Farblitographie, Memmingen: Verlag Curt Visel, 1968. Auflage: 63, vom Künstler vom Stein gedruckt.

Johann Wolfgang von Goethe: Westöstlicher Divan. Aus dem Buch Suleika. Mit drei Original-Lithographien und einem Original-Linolschnitt von Robert Kirchner. Memmingen: Verlag Curt Visel, 1969, Auflage: 300 Exemplare vom Stein gedruckt

Buchillustrationen

Alexander S. Puschkin: Gäste zur Nacht. Fünf Novellen. Hrsg. von Hans Küfner. Mit Originalillustrationen von Robert Kirchner. Würzburg: Arena-Verlag, 1966

Charles Sealsfield: Die Prärie am Jacinto. Eine Erzählung aus dem Kajütenbuch. Hrsg. von H. Küfner. Mit Originalillustrationen von Robert Kirchner. Würzburg: Arena-Verlag, 1968

Thornton Wilder: Die Iden des März. Mit einer Einführung von Ernst F. Podiesnigg und Originalillustrationen von Robert Kirchner. Frankfurt a. M.: Fischer-Verlag, 1975

Veröffentlichungen in Kunstperiodika

Von 1966 bis 1989 erschienen regelmäßig Original-Lithographien von Robert Kirchner als Beigaben in Periodika des Verlags Curt Visel, des Stürtz-Verlags sowie in Publikationen der Galerie am Grasholz.

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